
Mai 2025 — Heldenschmiede
von Jürgen Wieczorek, Familienpfarrer
Heldenschmiede - so lautete der Titel unser diesjährigen „Kinderwoche“. Vier Tage mit neugierig motivierten Kindern auf der Suche nach wahren „Helden“ in der Bibel und mitten in unserem Alltag. Ich habe auch so einen wunderbaren „Helden mitten im Leben“ gefunden, der gar nie Held sein wollte, sich nie als „Held“ fühlte und doch einer IST.
Vor fünf Jahren musste Reto seine Frau ins Pflegeheim bringen. Er konnte nicht mehr beides leisten: In der Bank arbeiten und seine kranke Frau pflegen. Dafür war er immer zu lange von zu Hause weg. Schweren Herzens und auf Anraten der Ärzte kam seine Frau auf die Pflegestation. Reto hat sie besucht, so oft wie möglich. Nach zwei Jahren starb seine Frau. Und Reto wusste nicht weiter…
Aber plötzlich wusste er doch weiter. Und ging jeden Tag, den der liebe Gott werden liess, auf die selbe Pflegestation. Erst als eine Art Mittagspause, seit zwei Jahren dann in seinem Ruhestand. Da hilft er – vor allem am Wochenende – bei der Essensausgabe, beim Essen anreichen, beim Abräumen und Säubern der Tische und Nachttische. Manchmal spielt er ein Spiel mit, liest jemandem etwas vor oder unterhält sich mit jemandem, auch mit Angehörigen. Reto macht das, wozu kaum ein anderer Zeit hat. Er selber nennt sich „Libero“ – also einer, der frei ist und Zeit hat für berührende Kleinigkeiten.
Wer heute Zeit hat für die Kleinigkeiten und einen liebevollen Blick auf die, denen gerade Kleinigkeiten riesige Freude ins Leben bringt, kann schnell zum Helden werden. Reto war immer da, vor allem am Wochenende. Er hatte Zeit und füllte sie mit kleinen Gesten und Taten. Er besorgte etwas, er benachrichtigte Angehörige, hatte offene Ohren, fuhr mal jemanden zum Arzt oder füllte Behördenbögen aus. Und eines Tages sagte jemand: Der Reto ist jetzt schon fünf Jahre hier. Stimmt, sagten andere; stimmt, sagte Reto etwas kleinlaut. Und man feierte ein Fest auf der Station. Reto, der Held der menschlich liebenswürdigen Kleinigkeiten.
Später fragte ihn jemand, warum er das denn das alles mache. Da antwortete Reto: Mich spornt mein Glaube an. Das verstand man nicht sofort. Darum ergänzte er noch: Menschen sollen füreinander da sein. Ich habe so viel Glück gehabt im Leben. Jetzt möchte ich etwas Glück für andere sein.
Das hätte Reto niemals von sich aus so gesagt. Aber die anderen hatten ja gefragt. Dann darf man auch sagen, was man glaubt. Reto glaubt an Gott. Und wer an Gott glaubt, sieht Menschen möglichst nicht als Gegner, sondern als Geschwister. Retos Glaube ist einfach. Menschen sollen füreinander da sein mit Sinn und Geschmack für liebevoll berührende Kleinigkeiten, die Glück ins Leben bringen. Darin ist Gott ganz nahe. Darin wirkt sein Geist lebendig in uns, durch uns und unter uns.
Frohe Pfingsten im Geist solch heldenhaften Glaubens wünscht Euch mit herzlichem Segensgruss,
April 2025 — Glocken

Markus Saxer, Pfarrer
Im Mai läuteten die Glocken!
Das ganz grosse Gedenken spielt sich in unseren Nachbarländern und in ganz Europa ab. Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass vor 80 Jahren, am 8. Mai 1945 um 11.00 Uhr am Morgen und um 20.00 Uhr am Abend sämtliche Kirchenglocken läuteten, um das Ende des
2. Weltkrieges zu verkünden und zu feiern.
Die Schweizerinnen und Schweizer strömten in Scharen auf die Strassen und auf Plätze ihrer Städte und Dörfer, um das langersehnte Kriegsende zu feiern. Fünf Jahre lang war die Schweiz eingeschlossen. Erst im Herbst 1944 erreichte die französische 2. Armee die Schweizer Grenze in der Nähe von Porrentruy und der Ring der Achsenmächte war gesprengt. Die schweizerisch-italienische Grenze wurde durch die Amerikaner erst wenige Tage vor Kriegsende erreicht.
Die meisten noch lebenden Zeitzeugen haben diese Geschehnisse noch als Kindheitserinnerungen präsent, von denen die am Aktivdienst und an der Anbauschlacht teilgenommen haben, sind nur noch wenige am Leben.
Was uns Nachgeborenen bleibt, ist die Erinnerung an diese Zeit zu bewahren und das tiefe Gefühl der Dankbarkeit dafür, dass unser Land weitgehend verschont geblieben ist.
Aus heutiger Warte ist vielen unbekannt, dass
einige Begleiterscheinungen der Kriegszeit uns noch einige Zeit erhalten blieben. Die Rationierung von Fett und Mehl endete erst im Juli 1948.
Halten wir doch alle einen Moment inne um den Geschehnissen vor 80 Jahren zu gedenken und denken wir beim Läuten der Kirchenglocken auch einmal daran, dass wir dankbar sein dürfen, wenn die Glocken «nur» für den Gottesdienst läuten.
Hoffen wir zusammen, dass wir einen friedlichen Sommer erleben dürfen.